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Für die Gestaltungsaufgabe im unteren Bild soll eine Konstruktionslösung systematisch erarbeitet werden.


Es ist eine Bewegungsübertragung gefordert, die um 90° umgelenkt werden soll. Die Punkte A, B und C wurden zur besseren Orientierung vorgegeben. An der Stelle C soll die Bewegung eingeleitet und an der Stelle B nach Außen weitergegeben werden. Es sind noch einige Randbedingungen gegeben. Der schraffiert gekennzeichnete Raum darf durch die Abläufe nicht beeinflußt werden, er wird bereits für andere Funktionen benötigt. Bei A ist ein Zapfen vorhanden, den man in der Draufsicht erkennen kann. Zur Befestigung steht eine Gehäusewand zur Verfügung. Es ist ein Zylinder vorgesehen, der für die Lösung mit benutzt werden kann. Die Bemaßung gibt die Größenverhältnisse für die Konstruktion vor.
Mit Hilfe des Forderungsplanes (siehe Bild) wird die Aufgabe präzisiert. Gegeben sind die Wirkflächen der Koppelstellen. Diese sind der Zapfen A als Stützstelle, die Bohrung B und die Anschraubfläche C. Der Eingang ist bei C und die Ausgangsgröße an der Stelle B, einer Bohrung, die das spätere Teil des Übertragungssystems mit enthalten soll.


Als Weiteres ist noch der Bauraum und die mögliche Stützfläche bei A gegeben. Man benötigt eine Bewegung, die immer mit einem Weg und einer Kraft verbunden ist. Sie soll von der Stelle C ausgehen und stellt somit die Eingangsgröße F1 und s1 dar. Die Übertragung soll bei der Ausgangsgröße F2 und s2 enden, die man an der Bohrung B abnimmt.
Die Aufgabenstellung wird verallgemeinert und alles, was von der Konzeptfindung ablenkt, wird weggelassen. Entscheidend sind vorerst nur die Eingangs- und Ausgangskoppelstelle. Wichtig ist, dass sie unter einem Winkel von 90° angeordnet sind. Damit ist auch die Gesamtfunktionen bestimmt. Das Entwerfen einer Funktionsstruktur kann hier entfallen, da eine Untergliederung der Gesamtfunktion nicht erforderlich ist. Für das Umlenken einer Verschiebung um 90° lassen sich unmittelbar Prinzipvarianten angeben (siehe Tabelle).

Tabelle: Prinzipvarianten
Lfd.Nr |
Technisches Prinzip |
Bezeichnung |
1 |
 |
Keilschubgetriebe |
2 |
 |
Winkelhebel |
3 |
 |
Zugmittelgetriebe |
4 |
 |
Zug-Druck-System
Bowdenzug |
5 |
 |
Gelenkgetriebe |
6 |
 |
Zahnstangengetriebe |
|

Im ersten Beispiel ist ein technisches Prinzip dargestellt, in welchem Geradführungen durch zwei schräge Flächen gekoppelt sind und die Umlenkung hervorrufen. Dieses Keilschubgetriebe besitzt hohe Reibung. Zur Vermeidung von Überbestimmtheiten ist eine Keilfläche ballig ausgeführt. Die zweite Variante nutzt den Zapfen als Stützelement, an dem der Winkelhebel gelagert ist. In Variante drei ist ein flexibles Zugmittel über eine Rolle geführt. Da dieses Band (Seil oder Kette) nur Zugkräfte übertragen kann, muss immer dafür gesorgt werden, dass es gespannt bleibt. Durch die Anordnung mit den Federn kann das Zugmittelgetriebe in beiden Richtungen Kräfte übertragen.
Der Bowdenzug ist ebenso ein flexibles Gebilde, mit dem Zug oder Druck übertragen werden kann, wenn er hinreichend steif ausgeführt ist.
Die Variante fünf ist ein Gelenkgetriebe. Die Kopplung wird durch zwei Drehgelenke realisiert. Im letzten Prinzip sind zwei Zahnstangengetriebe über ein gemeinsames Zahnrad gekoppelt.
Aus den 6 Prinzipvarianten ist die günstigste auszuwählen. Den geringsten technischen Aufwand verursacht der Winkelhebel. Im nächsten Schritt ist für dieses Prinzip der technischen Entwurf zu erarbeiten. Hierfür wurde sie abgebildete Kombinationstabelle erstellt. Als ordnende Gesichtspunkte werden die geometrische Grundform und der Aufbau des Hebels genutzt. Es gibt verschiedene Varianten, die drei Punkte A, B und C der Aufgabe zu verbinden.
Die geometrischen Grundformen liefern unterschiedliche Gestaltkonzepte. So ist es möglich, die 3 Koppelstellen auf einem flächenhaften Träger anzuordnen oder einen Dreiecksverband zu wählen. Wenn sie nicht durch eine geschlossene Form verbunden werden sollen, wären unter 1.2 offene Verbindungen (Reihenschaltungen) möglich.

Tabelle: Kombinationstabelle für einen Doppelhebel
Variable (OGP) |
Varianten (UM) |
1. Geometrische
Grundform |
1.1 geschlossene Verbindung |
1.1.1  |
1.1.2  |
1.2 offene Verbindung |
1.2.1  |
1.2.2  |
1.2.3  |
1.3 verzweigte Verbindung |
1.3.1  |
1.3.2  |
1.3.3  |
1.3.4  |
2. Bauweise |
2.1 aus einem Stück |
2.1.1 Guss |
2.1.2 Kunststoff |
2.1.3 Biege- u. Stanzteil |
2.2 zusammengesetzt |
2.2.1 Stoffschluss |
2.2.2 Formschluss |
2.2.3 Kraftschluss |
|

Es gibt die Möglichkeit, den Doppelhebel durch ein Stück zu realisieren oder durch Zusammensetzen verschiedener Teile. Fertigungsverfahren, welche die Herstellung aus einem Stück zulassen, sind Gießen, Spritzgießen aus Kunststoff, Biegen und Stanzen. Beim Zusammensetzen aus mehreren Teilen ist die Verbindung durch Stoff-, Form- oder Kraftschluß möglich.
Die Kombinationstabelle liefert 9 · 6 = 54 Gestaltungsvarianten.
Das untere Bild zeigt Lösungsvarianten und kommentiert ihre Eigenschaften.
Mit Hilfe der Forderungen aus der Aufgabenstellung kann man die günstigste auswählen. Um sie produzieren zu können, sind noch Maße und Werkstoffe festzulegen.

Tabelle: Varianten für den technischen Entwurf des Doppelhebels
Lfd.Nr. |
Komplexion |
Variante |
Bemerkungen |
I |
1.3.3/2.1.2 |
 |
Pressteil aus Duroplast,
Gewindelöcher mit gepresst |
II |
1.2.1/2.2.1 |
 |
Leichtbau, Klebetechnik,
die kreuzschraffierte Fläche
bildet mit ihrem Gegenstrück
die Versteifungsrippe |
III |
1.1.1/2.2.1 |
 |
Entwurf für kleinste
Strückzahlen, beispielsweise
Musterbau,
Schweißausführungen |
IV |
1.3.4/2.1.1 |
 |
Kraftflussgerechte
Ausführung, Leichtbauweise,
Druckguss |
|

Das untere Bild beschreibt verkürzt den Konstruktionsprozess und zeigt, dass der zu bewältigende Informationsumfang in der Gestaltungsphase ca. das fünffache der Konzeptphase beträgt. Dies ist bei der Planung von Konstruktionsprozessen zu berücksichtigen.

Tabelle: Grobablauf des Konstruktionsprozesses
Bearbeitungszustände des
Konstrukionsgegenstandes |
Arbeitsschritte |
Phasen |
Relativer Zeitaufwand |
 |
funktionelle Phase |
1 |
gestaltende Phase |
5 |
|
