Funktionenintegration
Welche Teilfunktionen sind mit einer gemeinsamen Teilstruktur erfüllbar?
Funktionentrennung
Welche Teilfunktionen sind mit verschiedenen Teilstrukturen erfüllbar?
Bereits beim Aufstellen des technischen Prinzips stellt sich die Frage, wie die einzelnen Teilfunktionen auf die notwendigen Strukturbestandteile aufzuteilen sind. Konkret ist festzulegen, welche Teilfunktionen mit einer gemeinsamen Teilstruktur erfüllt werden können, bzw. welche Teilfunktionen mit verschiedenen Teilstrukturen erfüllt werden müssen. Im ersten Fall spricht man von einer Funktionenintegration, im zweiten Fall von einer Funktionentrennung.

Allgemein ist man aus wirtschaftlichen Gründen bemüht, die Zahl der Strukturelemente zu minimieren und somit eine Vielzahl von Teilfunktionen einer Teilstruktur zuzuordnen. Dieses Vorgehen bezeichnet man als Funktionenintegration Das durch Funktionenintegration veränderte Produkt besteht dann aus weniger Bauelementen. Es wird einfacher und kompakter mit geringerem Montage- und Usetageaufwand. Auch wird der Werkstoff deutlich besser ausgenutzt.
Vorteile der Funktionenintegration:
- Verringerung der Bauelementeanzahl
- Vereinfachung des Geräteaufbaus
- Miniaturisierung
- geringer Montage- und Justagaufwand
- bessere Werkstoffausnutzung
Nachteile der Funktionenintegration:
- störende gegenseitige Beeinträchtigung der Teilfunktionen
- Teilstruktur kann nie bezüglich einer Teilfunktion optimal gestaltet werden
- Berechnung schwierig
- Grenzauslastung meist nicht möglich
- meist keine eindeutige Justierung bzw. gezielte Beeinflussung einer Teilfunktion möglich
Mit der Funktionenintegration können aber auch Nachteile verbunden sein. So können sich die in einer gemeinsamen Struktur vereinten Teilfunktionen gegenseitig störend beeinflussen. Im Allgemeinen ist es auch nicht möglich, die Teilstrukturen so zu gestalten, dass alle Teilfunktionen von dieser Teilstruktur optimal erfüllt werden. Berechnungen, welche die Teilstruktur betreffen, sind schwierig, da die Teilstruktur stets für mehrere Funktionen zu optimieren ist. Dadurch ist eine Grenzauslastung meist nicht möglich. Es ist oft auch nicht möglich, nur eine Teilfunktion unabhängig von den anderen Teilfunktionen zu justieren bzw. zu beeinflussen, da meist ein gekoppelter Justierkreis entsteht. Es gibt also Fälle, in denen die Funktionenintegration mit keiner Verbesserung der Gesamtfunktion verbunden ist. Dann kann auf das Prinzip der Funktionentrennung gegriffen werden.

Vorteile der Funktionentrennung:
- eindeutige Beanspruchung
- eindeutige Berechnungen möglich (Auslastung bis an die Grenze)
- Teilfunktionen eindeutig justlerbar
Bei der Funktionentrennung werden die einzelnen Teilfunktionen von unabhängigen Teilstrukturen erfüllt. Erfüllte bisher die Teilstruktur 1 die Teilfunktionen A bis C, so werden durch Funktionentrennung diese Funktionen auf die beiden Teilstrukturen 2 und 3 aufgeteilt. Damit sind folgende Vorteile verbunden: es ist eine eindeutige Beanspruchung der Teilstrukturen möglich. Diese können eindeutig berechnet werden und es ist eine Auslastung bis an die Grenze möglich. Die jeweilige Teilstruktur ist eindeutig, d.h. ohne die Beeinflussung anderer Teilfunktionen justierbar. Es ist keine generelle Aussage möglich, ob Funktionenintegration oder Funktionentrennung sinnvoll ist. Der Konstrukteur muss im jeweiligen Anwendungsfall abwägen, mit welchem der beiden konkurrierenden Prinzipien eine bessere Erfüllung der Gesamtfunktion möglich ist. Nachfolgend sollen konkrete Beispiele für beide Konstruktionsprinzipien diskutiert werden.
Animation: Funktionenintegration

Am Beispiel einer Geradführung soll das Prinzip der Funktionstrennung verdeutlicht werden. Im Allgemeinen besitzt eine Führung zwei Teilfunktionen. Die Aufnahme von Kräften und Momenten sowie die Realisierung einer Leitgerade, also einer linearen Bewegung, werden beide Teilfunktionen, wie im Bild sichtbar, durch eine gemeinsame Struktur, z.B. durch eine Schwalbenschwanzführung, erfüllt, entspricht dies dem Prinzip der Funktionenintegration. Diese Integration ist aber auch mit Nachteilen verbunden. Durch die angreifenden äußeren Kräfte und Momente entstehen Verformungen der Führung, welche eine Beeinträchtigung der Führungsgenauigkeit zur Folge haben.
Animation: Funktionenintegration und Funktionentrennung

Im unteren Bild ist eine Präzisionsführung dargestellt, welche aus zwei Teilstrukturen besteht. Teilstruktur 1 ist eine Führung zur Kraftaufnahme, an die keine besonderen Genauigkeitsanforderungen gestellt sind. Teilstruktur 2 ist eine Präzisionsführung, welche einzig zur Verwirklichung der Führungsleitgerade dient. Die Funktionen sind konstruktiv so getrennt, dass die Führung in Teilstruktur 1 einzig Kräfte aufnimmt, wohingegen die Teilstruktur 2 nur die Führungsleitgerade vorgibt. Auf diese wirken kaum Kräfte, wodurch eine geringe Verformung und der Last bei geringem Verschleiß möglich ist. Anwendung findet eine solche Funktionentrennung vor allem in der Feinmesstechnik. Ein wesentlicher Vorteil besteht in der optimalen Dimensionierung beider Teilsysteme, verbunden allerdings mit hohem konstruktivem Aufwand und auch Raumbedarf. Im Allgemeinen ergibt sich wegen der großen Massen auch ein schlechteres dynamisches Verhalten.

Für eine Wälzlagerung kann sowohl das Prinzip der Funktionentrennung als auch das Prinzip der Funktionenintegration angewendet werden.
Im linken Bild nimmt das Radialrillenkugellager sowohl axiale als auch radiale Kräfte auf. Durch diese Funktionenintegration der Teilfunktionen a und b kann die Lagerung sehr kompakt gebaut werden.
Die Funktionentrennung kann erforderlich werden, wenn sehr große Kräfte aufgenommen werden sollen. Da die beiden Teilstrukturen je nur eine Teilfunktionen erfüllen, ist es möglich, diese unabhängig voneinander zu optimieren. Im Ergebnis sind Axial- und Radiallager optimal für die dazugehörigen Funktionen, d.h. für die optimale Aufnahme von axialen bzw. radialen Kräften ausgelegt.
Als Beispiel für Funktionenintegration wie auch für Funktionentrennung kann der Schlüssel genannt werden.
Ein gewöhnlicher Schlüssel vereint die Teilfunktionen „Sicherheit“ und „Öffnen der Tür“. Man spricht hierbei von einer Funktionenintegration.
Bei größeren, massiven Tresoren ist die Integration beider Funktionen jedoch weniger sinnvoll, da zum Bewegen der schweren Riegel des Schlosses große Kräfte von einem Schlüssel aufgebracht werden müssten. In einen solchen Schlüssel auch die „Sicherheitsfunktion“ zu integrieren ist wenig sinnvoll.
Es hat sich in einem solchen Fall bewährt beide Funktionen zu trennen und jeder Funktion eine separate Struktur zuzuweisen. Der Schlüssel besitzt dann einzig eine Sicherheitsfunktion.
Die Funktion des Öffnens der Tür, also das Öffnen des massiven Schlosses, erfolgt mit einem speziellen Hebel oder Handrad. Beide Teilstrukturen - Sicherheitsschlüssel und Handrad - können somit für die jeweilige Funktion optimiert werden. Man spricht in diesem Fall von einer Funktionentrennung.

In der Technik dominiert Funktionenintegration:
- Anzahl der Bauelemente verringert sich
- Anzahl der Koppelstellen verringert sich
- geringeres Volumen / Gewicht / Kosten

In der Technik dominiert die Funktionenintegration, da sich damit die Anzahl der erforderlichen Bauelemente reduzieren lässt und die Anzahl der Koppelstellen sich verringert, wodurch sich letztendlich ein geringeres Volumen des technischen Gebildes ergibt.
Bestehen jedoch extreme Forderungen an einzelne Teilfunktionen, wird auf die Funktionentrennung zurückgegriffen. Im Maschinenbau entstehen solche Extremforderungen insbesondere bezüglich der Festigkeit, in der Feinwerktechnik meist bezüglich der Genauigkeit.
Die Teilstrukturen werden bei Funktionentrennung eindeutig berechenbar, sie können bis an die Grenze ausgelastet werden und sind eindeutig justierbar.
Mit den Möglichkeiten der Mengelehre können die Begriffe Funktionenintegration und Funktionentrennung verdeutlicht werden (Bild).

Ein technisches Gebilde muss eine Gesamtfunktion, bestehend aus einer endlichen Menge von Teilfunktionen TF, erfüllen. Dafür stehen innerhalb der Struktur eine endliche Menge von Teilstrukturen TS zur Verfügung.
Zwischen der Menge der Funktionen und der Menge der Teilstrukturen besteht ein eindeutiger Zusammenhang. Werden, wie im oberen Bild dargestellt, gleiche Teilstrukturen von verschiedenen Teilfunktionen genutzt, handelt es sich um Funktionenintegration.
Im unteren Bild sind nach dem Prinzip der Funktionentrennung jeder Teilfunktion separate Teilstrukturen zugewiesen, d.h. keines der Teilstrukturen wird von mehreren Funktionen genutzt.