Konstruktionsprinzip: Vermeiden von Überbestimmtheiten
Jedes technische Gebilde besteht aus einer Anzahl von Einzelteilen, die durch ihr Zusammenwirken eine technische Funktion erfüllen. Für die Funktionserfüllung ist es notwendig, dass alle Einzelteile in geeigneter Weise zueinander angeordnet sind. Ist mindestens ein Freiheitsgrad mehr als einmal gesperrt, spricht man von Überbestimmtheit einer Verbindung. Im Gesamtgebilde wird dabei die Anzahl der zulässigen Unfreiheiten überschritten. Es ergibt sich eine überflüssige Strukturredundanz, auch als Zwang bezeichnet.
Ein solches überbestimmtes Gebilde ist eigentlich nicht funktionstüchtig, da sich Identitätsforderungen ergeben, die immer nur angenährt erfüllt werden können. Überbestimmte Paarungen sind durch Fertigungs- bzw. Montagemehraufwand und durch Empfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen gekennzeichnet, da es entweder nicht zur mechanischen Berührung an den Koppelstellen kommt oder diese gewaltsam durch elastische und plastische Deformationen erzwungen wird. Es entsteht Zwang.
Tritt Zwang an einen überbestimmten Gebildes auf sind verschiedene Maßnahmen möglich (Bild):
Das technische Prinzip bzw. einzelne Koppelstellen innerhalb des technischen Gebildes müssen so abgeändert werden, dass die Anzahl der zulässigen Unfreiheiten nicht überschritten wird. Die Ursache der Zwangerscheinungen wird somit beseitigt, das Gebilde ist zwangfrei.
Ist es nicht möglich die Ursachse der Zwangerscheinungen zu beseitigen, müssen zumindest die damit verbundenen Auswirkungen verringert bzw. beseitigt werden. Dass bedeutet immer durch enge Toleranzen, gemeinsame Fertigung, Justierung und elastische Bauweise identische Abmessungen zu schaffen. Es entsteht ein zwangarmes Gebilde.

Es kommt häufig vor, dass ein Antriebssystem, also eine Motor-Getriebe-Kombination an eine Funktionsbaugruppe (z. B. Getriebe, Linearmodul) angekoppelt werden muss. Die Funktion der dazu notwendigen Kupplung besteht in der Übertragung einer Drehbewegung, sie muss also eine Unfreiheit besitzen. Aufgrund von Fertigungs- und Montagetoleranzen lassen sich Fluchtfehler und Axialversatz zwischen der Motorabtriebswelle an der Antriebswelle der nachfolgenden Funktionsbaugruppe niemals vermeiden.
Animation: Selbstverstärkung am Beispiel einer starren Kupplung
Im Bild ist ein möglicher Fluchtfehler in Form eines Parallelversatzes dargestellt. Mit der verwendeten starren Kupplung mit 6 Unfreiheiten ist das System nicht funktionsfähig. Es tritt Zwang auf, der sich in einer unzulässigen Deformation der Welle und übermäßig hohen Belastung der Lagerungen äußert.
Animation: Starre Kupplung mit Fluchtungsfehler
Ein Lösungsansatz besteht darin, diesen Fluchtfehler zu vermeiden. Durch spezielle zentrierende Schnittstellen oder Justiermaßnahmen kann zwar der Fluchtfehler minimiert werden, aber niemals vollständig beseitigt werden. Das bedeutet dass der vorhandene Zwang dadurch nicht beseitigt sondern nur gemindert werden kann. Es entsteht ein zwangarmes Gebilde. Besser ist es das technische Prinzip so zu verändern, dass überhaupt kein Zwang entstehen kann. Dazu muss die vorhandene Kupplung durch eine Kupplung mit genau einer Unfreiheit (Drehung um die Antriebswelle) ersetzt werden.
Hier wurde die starre Kupplung durch eine Membrankupplung mit genau einer Unfreiheit ersetzt. Es wird deutlich, dass hier durch einen Fluchtungsfehler bzw. Axialversatz beider Wellen kein Zwang entstehen kann. Das Gebilde wurde also zwangfrei. Dieses Konstruktionsprinzip wird bei Motorankopplungen häufig missachtet. Wenn zwei separat gelagerte Wellen miteinander verbunden werden ist immer eine Ausgleichskupplung mit genau einer Unfreiheit erforderlich.