Der Arbeitsschritt „Ermitteln von Funktionen und deren Strukturen“ des Konstruktionsprozesses ist nach VDI 2221 der erste Teil der Konzeptphase (siehe Bild) und führt zur Funktionsstruktur.
Mit dem Arbeitsschritt "Ermitteln von Funktionen und deren Strukturen" beginnt die Bestimmung des geforderten technischen Produktes. Den Übergang von der Funktion zur Struktur bzw. zur Gestalt des Produktes bezeichnet man als Synthese.
Definition:
Synthese: (griech.: Zusammenfassung, Verknüpfung)
Synthese ist die gegenständliche oder gedankliche Verbindung einzelner Elemente zu einem Ganzen. Dieser Vorgang ist mehrdeutig und unbestimmt. Methodische Hinweise geben auch die Axiome der Konstruktionswissenschaft:
- Ganzheitsaxiom:
Jedes Objekt ist nach Form und Wirkung durch seine Elemente und Relationen determiniert. Die Gesamtwirkung hat gegenüber den Wirkungen der Einzelelemente eine neue Qualität. - Fehleraxiom:
Jede Konstruktionslösung ist hehlerbehaftet (Differenz ist - Soll). - Zeitwertaxiom:
Jede Konstruktionslösung wird im Laufe der Zeit durch eine bessere abgelöst.
Das Ganzheitsaxiom, auch als Aufbaubedingung bezeichnet, besagt, dass ein völlig neues Produkt aus bekannten Elementen aufgebaut werden kann. Auf diese Weise können auch Patente entstehen. Das Fehleraxiom macht deutlich, dass eine gefundene Konstruktionslösung sowie das auf ihrer Grundlage realisierte Produkt (entspricht dem IST) in der Regel nicht alle Anforderungen der Aufgabe (entspricht dem SOLL) erfüllen kann. Häufig sind Kompromisse zwischen sich widersprechenden Forderungen notwendig. Zum Beispiel, geringe Kosten und höchste Qualität. Das Zeitwertaxiom kennzeichnet den moralischen Verschleiß, dem jede technische Lösung aufgrund des Fortschritts von Wissenschaft und Technik unterliegt. Zum Beispiel, das Ablösen mechanischer Lösungen durch elektronische. Das gefundene Optimum entsteht auf einen Zeitpunkt bezogen.
Der Synthesevorgang wird zweckmäßig in folgende, überschaubare Schritte untergliedert:
Jeder Arbeitsschritt erzeugt mehrere Lösungsvarianten. Es ist deshalb zweckmäßig, nach jedem Syntheseschritt die optimale Variante auszuwählen und als Grundlage für die nächste zu benutzen. Für die Syntheseoperation stehen je nach Abstraktionsstufe spezifische Methoden zur Verfügung.
Die Abbildung beschreibt die Folge der Arbeits- und Syntheseschritte.
Dieses Kapitel behandelt die Synthese von Funktionen, Verfahren und Funktionsstrukturen.
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Für die steuerbare galvanische Unterbrechung eines Stromkreises ist eine technische Lösung gesucht, die in 10 Millisekunden den Schalter öffnet und in 4 Millisekunden wieder schließt. Bei der Bestimmung der Gesamtfunktion, also der Funktionssynthese, bleibt den Schaltvorgang auslösende Schaltgröße X noch unbekannt. Das Öffnen und Schließen der Kontakte erfordert Kräfte, die mit Hilfe verschiedener physikalischer Operationen erzeugbar sind. Da ein Elektromagnet gut steuerbar ist, jedoch nur in einer Richtung eine Kraft erzeugt, die das Schließen der Kontakte bewirkt, benötigt man für das Öffnen der Kontakte einen zweiten physikalischen Effekt. Zum Beispiel, die Freisetzung der beim Schließen in einer Feder gespeicherten Energie. Das Verfahrensprinzip dieses Syntheseschrittes besteht somit aus zwei physikalischen Effekten. Für die Realisierung der physikalischen Effekte sucht man nun die erforderlichen Funktionselemente und verknüpft sie zu einer Funktionsstruktur. Der Elektromagnet, bestehend aus Spule, Eisenkreis und Anker, erzeugt eine Kraft Fm und einen Hub Sm, die mechanisch über einen Hebel die Kontakte schließen. Gleichzeitig speichert die Feder die mechanische Energie, die beim Abschalten der Spule die Kontakte öffnet. Für die prinzipielle Ausführung des Triebssystems sind U-, E- und Topfmagneten sowohl für translatorische als auch für rotatorische Antriebsbewegungen möglich. Als Vorzugsvariante der Prinzipsynthese wurde der Kappankermagnet (Variante 1 Punkt 3) ermittelt. Die Gestaltsynthese findet unter anderem Lösungsvarianten für die Ankerlagerung, die Form der Kontaktfedern, das Gestell und die Übertragung der Ankerbewegung auf die Kontakte durch eine Kulisse.