Virtuelle Realität (Virtual Reality - VR) ist eine neue Dimension der graphischen Simulation. Definieren lässt sich VR als eine Technik zur Interaktion mit dem Rechner, die es einem Benutzer erlaubt, in eine Modellwelt "einzutauchen" und diese direkt zu manipulieren, wobei mehrere menschliche Wahrnehmungssinne angesprochen werden. In Abhängigkeit davon wie stark der Benutzer in diese "künstliche Welt" einbezogen wird, wird in der Literatur zwischen immersiven und nicht-immersiven beziehungsweise Desktop-VR-Verfahren unterschieden. Grundlegende Voraussetzungen für VR-Anwendungen sind in erster Linie dreidimensionale Präsentations- und Interaktionstechniken. Für die Realisierung von VR-Systemen sind zahlreiche, speziell entwickelte Eingabegeräte kommerziell verfügbar, wie beispielsweise der Datenhandschuh (data glove) oder sogenannte Tracking-Systeme sowie Ausgabetechniken und -geräte, wie die Shutter-Brille (Head Mounted Display - HMD). Eine weitere Voraussetzung für VR-Anwendungen ist die Echtzeitfähigkeit des Systems. Der Bildaufbau muss mit einer Geschwindigkeit erfolgen, die dem Benutzer das Gefühl gibt, in einer "realen" Umgebung zu agieren. [SpKr-97] Die in diesem Abschnitt erwähnten VR-Verfahren sowie VR-Ein- und Ausgabegeräte werden im Modul Virtual Reality ausführlich behandelt.
Mittlerweile wird VR als eine der Mensch-Maschine-Schnittstellen der Zukunft angesehen. Gegenüber herkömmlichen, zweidiminsionalen Benutzerschnittstellen hat der Benutzer in virtuellen Umgebungen einen Bezug zu realen Verhältnissen und kann daher intuitiv und erfahrungsbasiert handeln. [KrEt-02]
VR-Technologien haben in einer Vielzahl von Anwendungsgebieten und das nicht nur im Forschungsumfeld, Eingang gefunden. So verfügen nahezu alle Großunternehmen der Automobil- und Flugzeugindustrie über eigene VR-Zentren. VR-Werkzeuge werden hier mit dem primären Ziel eingesetzt, die Anzahl der in der Produktentwicklung zu bauenden physischen Prototypen zu reduzieren. Ziele der Untersuchungen mit Hilfe von VR sind vorwiegend die Evaluierung von Produktalternativen oder von Entwicklungszwischenständen. [KrEt-02]
Aber auch für Simulationszwecke wird die VR-Technik intensiv eingesetzt und erforscht. So wird beispielsweise VR zur Untersuchung der subjektiven Wahrnehmung von Fahrzeuginnenräumen genutzt, das Strömungsverhalten von Fahrzeugen in einem virtuellen Windkanal getestet oder ergonomische Analysen durchgeführt. Ein weiteres Ziel der Unternehmen ist der Einsatz von VR als Präsentationsinstrument im Marketing und Vertrieb. [KrEt-02]
VR stellt eine Schlüsseltechnologie für die Umsetzung der Vision "Virtuelle Produktentwicklung" dar, wobei das virtuelle Produkt, wie es in Kapitel Begriffsdefinition Virtuelle Produktentwicklung definiert wurde, der zentrale Informationsträger einer vollständig rechnerbasierten Produktentwicklung ist. [KrEt-02]
VR ist in diesem Zusammenhang somit ein Werkzeug, das dazu dient, die Verfahren zum Simulieren des Produktverhaltens und der Produkteigenschaften zu unterstützen. Beispielsweise kann das Arbeiten mit DMUs durch VR weiter verbessert werden. Ein- und Ausbauuntersuchungen können insbesondere durch großflächige Projektionstechnik und immersiver Arbeitstechnik durchgeführt werden. Hierbei überprüfen Ingenieure und Werker aus dem Prototypenbau die Montierbarkeit und die Reihenfolge von Montagevorgängen am digitalen Modell mit Stereobrille und Datenhandschuh. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind VR-Visualisierungen von Analyseergebnissen, zum Beispiel der Mehrkörpersimulation und FEM-Berechnung. Besonders Eindrucksvoll sind VR-Visualisierungen von Crash-Analysen. Im Rahmen von Crash-Untersuchungen können die Berechnungsingenieure das Verformungsverhalten einer Fahrzeugzelle durch die Visualisierung im Maßstab 1:1 mit einer hohen Qualität bewerten (Bild 1). [GaEK-01]

Aber auch im Bereich von CFD-Berechnungen kommt VR zum Einsatz. Beispielsweise VR-Visualisierungen von Strömungssimulationen in der PKW-Entwicklung im Bereich der Außenaerodynamik (Bild 2 links). Weiterhin ermöglicht VR Designstudien zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Maßstab 1:1 stereoskopisch zu visualisieren, zum Beispiel mittels Powerwall (Bild 2 rechts). Hierbei können Verfahren der Computergraphik wie Beleuchtung und Reflexion etc. eingesetzt werden. [GaEK-01]

Darüber hinaus gibt es natürlich noch eine Vielzahl weiterer Einsatzgebiete von VR in der Produktentwicklung, wie beispielsweise in der Pressen-, NC- und Montagesimulation, auf einige wird im Modul Virtual Reality eingegangen.
Abschließend lassen sich die Vorteile der VR in der Produktentwicklung wie folgt zusammenfassen: (nach [KoWi-01])
- dreidimensionale realitätsnahe Visualisierung des Produktes
- intuitiver Umgang mit dem Produkt und den Produktentwicklungstechniken
- VR-Modell als Diskussions- und Entscheidungsgrundlage
- immersive Analysen
- Visualisierung der Funktionen und Vorgänge im Produkt